Mit der Erstürmung des Kapitols in Washington, D. C. am 6. Jänner 2021 ist ein neuer Tiefpunkt in der jahrtausendelangen Entwicklung der Demokratie erreicht worden. Ihre vielen Errungenschaften zum Wohle breiter Gesellschaftsschichten sind aber nicht erst seit diesem Datum gefährdet. Umso wichtiger wird es daher sein, zukunftstaugliche Konzepte für eine resilientere Gesellschaft zu erarbeiten und umzusetzen.
Die bisherigen, und damit auch die bildungspolitischen Bemühungen der „Angehörige[n] von entwickelten demokratischen Nationalstaaten“1 waren allesamt zu gering, um das Aufkommen rechtspopulistischer Politik zu verhindern. Es ist vielmehr zu vermuten, dass bestehende politische Strukturen dies eher begünstigten:
Während „einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und solche mit niedrigeren Bildungsabschlüssen“ gemeinsam mit „oberen Einkommensgruppen (über 4000 € Einkommen) signifikant häufiger AfD wählen würden als die mittleren Einkommensgruppen“2, werden gleichzeitig die politischen Anliegen der gesellschaftlichen Mitte vernachlässigt. Offensichtlich ist die Lobby der unteren und mittleren Einkommensschichten – sofern sie existiert – nicht erfolgreich genug. Ulrike Herrmann über die Mittelschicht, die sich selbst betrügt: „Wenn sie absteigt, dann nur, weil sie an diesem Abstieg mitwirkt.“3 Wen wundert es also, wenn im Jahr 2017 Lea Elsässer et al. in ihrem Aufsatz „‚Dem Deutschen Volke?‘ Die ungleiche Responsivität des Bundestags“ feststellen: „Was Bürger_innen mit geringem Einkommen in besonders großer Zahl wollten, hatte in den Jahren von 1998 bis 2015 eine besonders niedrige Wahrscheinlichkeit, umgesetzt zu werden. Das für die USA nachgewiesene Muster von systematisch verzerrten Entscheidungen trifft also auch auf Deutschland zu.“4
Zivilgesellschaftliche Instanzen für eine zukunftsfähige Demokratie
Gehen wir davon aus, dass ein „gekaufter Staat“ sich so lange von seiner bisherigen Zuschreibung als Gemeinwohlinstanz entfernt wie die beschriebenen Gegebenheiten wirksam sind, dann haben wir hier einen möglichen Hebel gefunden, der uns beim Bau einer resilienteren Gesellschaft* dienlich sein kann: die Schaffung neuer oder die Reform bestehender Strukturen/Institutionen zur Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Engagement.5 Diese sollen dann jenen Geist wieder zurück in die Flasche bringen, der die von Anthony B. Atkinson so bezeichnete „Ungleichheitswende“ hervorbrachte. Seiner Meinung nach braucht es dafür eine entsprechende Gegenmacht.
Während Sir Atkinson in seinem letzten großen Werk „Ungleichheit“ dabei noch gerne an die Gewerkschaften dachte, ahnt der·die politisch interessierte Kontinentaleuropäer·in bereits: das wird nicht reichen. Jene, die das System manipulieren, „um ihre Privilegien zu behalten“6, waren damit auch unter den Bedingungen einer jahrzehntelang gepflegten Sozialpartnerschaft erfolgreich.
Eine politische Kraft, die diesem Treiben durch die „Neuerfindung des Staates“7 ein Ende bereiten will, muss mindestens diese Eigenschaften vereinen: Demokratische Legitimation, Konsens der vielen Stimmen und Mitentscheidungshoheit bei der Verabschiedung von Gesetzen und Verordnungen. Andernfalls werden jahrelange Bemühungen wie jene der zivilgesellschaftlichen Allianz „Wege aus der Krise“ in der Öffentlichkeit weiterhin weder wahrgenommen noch diskutiert. In diesem Fall ging es um die Erstellung eines zivilgesellschaftlichen Zukunftsbudgets8 als nachhaltige Antworten auf die sozialen Auswirkungen der Finanzkrise nach dem Jahr 2007. In gesamtgesellschaftlichen Fragen scheitert zivilgesellschaftliches Engagement mitunter auch deshalb, weil den Einzelnen der motivationsfördernde Überblick fehlt über die „Wirkungen ihres Handelns im Gesamtgefüge“, und weil eine Instanz fehlt, „die dafür sorgt, dass die Interessen von Natur und Gesellschaft gleichermaßen berücksichtigt werden“9.
Ist diese Instanz für bürgerschaftliches Engagement in der Art einer zweiten Kammer gegeben, dann sollten politische Erfolge wie der nachfolgende keine Ausnahme mehr darstellen. Nachdem noch am 10. 3. 2020 per Aussendung „Merkel und Altmaier stoppen Vorstoß für Lieferkettengesetz“10 verkündet wurde, lautete die Botschaft von Angela Merkel ein 3/4 Jahr später bereits: „Ich bin für das Lieferkettengesetz„11.
Anregungen für die Etablierung von Strukturen für bürgerschaftliches Engagement gibt es bereits zuhauf. Im Herbst 2020 erreichten sie dann endlich auch die Spitze des Deutschen Bundestags, indem dessen Präsident Wolfgang Schäuble12 von einer Stärkung der Demokratie sprach, als er an die Einführung eines Bürgerrates dachte, um „unsere parlamentarische Demokratie zukunftsfähig“ zu machen. Mag sein, dass dieser Schritt den Beginn einer resilienten Demokratie markiert; die fehlende Unterstützung durch den Bundestag13 in der Frage der Finanzierung lässt allerdings vorerst mangelnde Ambition in diese Richtung vermuten.
Es braucht beides: erfolgreiche Initiativen und Kontrolle
Neben erfolgreichen Initiativen der Zivilgesellschaft als Push-Faktor für die Weiterentwicklung14 unserer demokratischen Lebensweisen braucht es noch einen weiteren Faktor als Schutz vor dem Abgleiten in längst – und zu Recht – vergessene Zeiten der Freimaurerlogen, Templerorden und Kolumbusritter wie sie Danielle Allen propagiert: „Solche zivilgesellschaftliche Vereinigungen wurden – im Vorfeld der Entwicklung des liberalen Wohlfahrtsstaates – gegründet, um im 19. Jahrhundert die Gesundheitsversorgung, Arbeitslosenversicherung und Ruhegelder für nicht abgesicherte Arbeiter zu gewährleisten.“15 In ihrem nachfolgenden Plädoyer für die Freimaurer von Prince Hall wird sie deutlicher: „Die Entstehung des Wohlfahrtsstaats und die institutionalisierte Gewährung sozialer Rechte führten zum Erlahmen dieser Art von Vereinigungen. Doch könnten wir heute zugunsten eines Sponsorenmodells bei der Einwanderung ihr Wiedererstarken vorantreiben.“16
Werfen wir als Antwort darauf zuerst einen Blick auf die zuletzt erwähnte »vernetzte Gesellschaft«, zB in den Logen. Diese spaltet, weil Renditen „privater Versicherungsgemeinschaften“ vorwiegend ihren Mitgliedern zufließen. Das geht so weit, bis schließlich Michael J. Sandel im Jahr 2020 feststellte: „Die Reichen und Mächtigen haben das System manipuliert, um ihre Privilegien zu behalten; die Akademiker haben herausgefunden, wie sie ihre Vorteile an ihre Kinder weitergeben können, wodurch die Meritokratie zu einer Erbaristokratie geworden ist.“17
Wie wir aus der Geschichte der Gewerkschaften und ihrer gesellschaftspolitischen Wirkungen in Zusammenhang mit deren Organisationsgraden wissen, bieten auch sie keinen ausreichenden Schutz vor Vereinnahmung unserer, für alle geltenden Rechtsordnung durch Partikularinteressen – Stichwort: „systematisch verzerrte Entscheidungen“. Eine resiliente Demokratie braucht daher noch eine weitere Instanz in der Form einer solidarisch wirkenden Gemeinwohlkontrolle18 hinsichtlich der Verabschiedung von „Gesetze[n] und Verordnungen“19 – quasi als notwendige Ressource dafür, um insbesondere auch den permanenten „autoritären Versuchung[en]“ zu widerstehen und nicht nur jenen, „die im Bedürfnis nach Schutz im Krisenfall verborgen“20 sind.
Würde diese Kontrolle auf nationaler Ebene eingeführt21, dann dürfen wir erwarten, dass bürgerschaftliche Beteiligungsprozesse nicht mehr als „Treppe ins Nichts“22 oder als „schmückendes Beiwerk“23 wahrgenommen werden.
Schlussbemerkungen
Um sowohl der Demokratiemüdigkeit als auch demokratieschädlichen Aktivitäten entgegenzuwirken, sind auf der Grundlage strategischer Beratungen Konzepte zu erarbeiten, die von allgemein anerkannten Playern aus sehr unterschiedlichen politischen und zivilgesellschaftlichen Richtungen – einschließlich der Religionsgemeinschaften – begrüßt werden. Selbstverständlich braucht es dazu auch Financiers und Testimonials, die die Umsetzungsphase nachhaltig unterstützen.
Hans-Jürgen Bieling bringt es auf den Punkt: „Demokratietheoretisch ist jedenfalls relevant, dass eine möglichst umfassende Information und Berücksichtigung verschiedener Interessen (Pluralismus) nicht nur postuliert werden, sondern durch institutionalisierte Verfahren des politischen Ausgleichs gewährleistet werden.“24
Kritik
Sofern Resilienz nicht „auf sozialen Fortschritt, sondern auf den Systemerhalt, genauer gesagt: auf das Überleben des Systems“20 zielt, bietet sie allenfalls zum Teil brauchbare Ansätze zur dauerhaften Krisenprävention. „Ein resilientes System kann daher eher kein System sein, welches durch die neoliberale Ideologie geprägt ist: Ökonomisierung und Finanzialisierung drängen gerade darauf, die ‚Puffer‘ etwa im Gesundheitssystem weg zu ökonomisieren; angebliche ‚Reformzwänge‘ behaupten rationale Argumente, die sich ‚aus der hohen Vernunft der Ökonomie und der Finanzmärkte‘ ableiten (Schirrmacher).“20
Eine Wohlstand für alle fördernde Resilienz zielt auch nicht auf die Überwindung des bestehenden Systems durch „wirtschaftliche Autarkie„, sondern setzt vielmehr auf den durch Dialog (s. a. Cornelia Koppetsch u. v. a.) erarbeiteten Ausgleich von Interessen.
Hinweise
In „Gesellschaftliche Resilienz und Neugier in VUCA–Welten“ weisen Armin Schuster und Werner Stork mit Blick auf den „systematischen Ausbau der Bürgerbeteiligung und der Förderung des Einflusses der zivilgesellschaftlichen Akteure“ – Susan Neiman erweiternd – darauf hin, dass „jeder Bürger […] Co-Produzent der gesellschaftlichen Resilienz“ ist.
Annähernd derselbe Inhalt dieses Beitrags erschien am 13. 4. 2021 im Newsletter des Netzwerks Bürgerbeteiligung
Anmerkungen
*| Die „resilientere Gesellschaft“ ist das jeweilige Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Bürger·innen und engagierten Nichtwähler·innen im Sinne von Thomas Klie: „Umso wichtiger erscheint es, dass sich Bürger*innen mit dem Thema ‚Demokratische Resilienz‘ auf theoretischer und praktischer Ebene beschäftigen.“ (Thomas Klie, Demokratische Resilienz, Studienprojekt: Demokratische Integration, Evangelische Hochschule Freiburg, Mai 2020, S 3)
1. | Danielle Allen (2020): Politische Gleichheit, Berlin, S 182
2. | Nachwuchsforschungsgruppe an der Uni Paderborn: „Soziale Ungleichheit und rechtspopulistische Einstellungen. Inwiefern gefährdet die soziale Spaltung die Demokratie?„, S 6
3. | Ulrike Herrmann: Die Mittelschicht betrügt sich selbst. Der Spiegel, 2010-04-08, 16:06 h, https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/soziale-gerechtigkeit-die-mittelschicht-betruegt-sich-selbst-a-687760.html
Vergleichbar Richard Wilkinson zwei Wochen davor in seinem Interview „Die Mittelklasse irrt“: https://www.zeit.de/2010/13/Wohlstand-Interview-Richard-Wilkinson
4. | Lea Elsässer, Svenja Hense, Armin Schäfer (2017): „Dem Deutschen Volke“? Die ungleiche Responsivität des Bundestags. Zeitschrift für Politikwissenschaft, 27(2), S 177. doi:10.1007/s41358-017-0097-9
Lea Elsässer et al. weisen zudem nach, „dass die Politik in ihren Entscheidungen systematisch die Meinungen oberer Einkommensschichten reflektiert, wenn große Meinungsunterschiede bestehen. Dieser Befund gilt auch dann, wenn die oberste mit der mittleren Einkommensgruppe verglichen wird.“ (S 174)
5. | Oliver Nachtwey (2016): „Grundsätzlich gilt: Menschen handeln auf der Basis sozialer Normen und Ideen, in ihrem Handeln beziehen sie sich allerdings ‚immer und notwendig auf die strukturellen Momente übergreifender sozialer Systeme‘ (Giddens 1995, S. 76). Letztere, so der Begriff von Giddens, ’strukturieren‘ das Handeln der Individuen (ebd., S. 51 ff.). Ihre Handlungen sind also, mit anderen Worten, abhängig von den Optionen, die sich ihnen bieten.“ Die Abstiegsgesellschaft. Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne, Berlin, S 78 f
6. | „Die Reichen und Mächtigen haben das System manipuliert, um ihre Privilegien zu behalten; die Akademiker haben herausgefunden, wie sie ihre Vorteile an ihre Kinder weitergeben können, wodurch die Meritokratie zu einer Erbaristokratie geworden ist.“ Michael J. Sandel (2020): Vom Ende des Gemeinwohls. Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt, Frankfurt/Main, S 191
7. | vgl. Horst Kahrs, Thomas Falkner (2020): Corona als Richtungsimpuls. Demokratische Resilienz – Resiliente Demokratie. STUDIEN 16/2020 im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, S 51 – Schlusssatz: „Einen Masterplan dafür gibt es nicht. Wie so oft in schwierigen Zeiten, ist es am vernünftigsten, einfach anzufangen – hier und heute.“
8. | https://www.wege-aus-der-krise.at/images/Zukunftsbudget%202017%20-%202019_web.pdf
9. | Olaf-Axel Burow (2008): Zukunftskonferenz. Anspruch, Wirklichkeit und Perspektiven, erschienen in: Norbert Kersting (Hg.): Politische Beteiligung. Einführung in dialogorientierte Instrumente politischer und gesellschaftlicher Partizipation, Wiesbaden, S 186
10. | https://lieferkettengesetz.de/pressemitteilung/merkel-und-altmaier-stoppen-vorstoss-fuer-lieferkettengesetz-menschenrechte-und-umweltschutz-koennen-nicht-laenger-warten, 2020-03-10
11. | Merkel: Ich bin für das Lieferkettengesetz, welt-sichten, 2020-12-16, https://www.welt-sichten.org/nachrichten/38447/merkel-ich-bin-fuer-das-lieferkettengesetz
12. | Robert Roßmann: „‚Wir müssen unsere parlamentarische Demokratie zukunftsfähig machen‘, verlangt der Bundestagspräsident. Dabei könne ‚der Bürgerrat ein wichtiger Ansatz sein‘. Es gehe ’nicht um eine Alternative zur parlamentarischen Demokratie, sondern um ihre Stärkung‘.“ Süddeutsche Zeitung, 2020-09-25, 19:01 h, https://www.sueddeutsche.de/politik/schaeuble-bundestagspraesident-buergerraete-1.5044696
13. | siehe „Bundesweiter Bürgerrat unter Schirmherrschaft Schäubles„. Deutscher Bundestag, Pressestelle, 2020-08-27
14. | In „Klimakrise vor Gericht“ weist Tamara Ehs auf eine weltweit boomende unkonventionelle demokratische Beteiligungsform hin, die sogenannte strategische Prozessführung: „Dies bedeutet, dass Einzelpersonen, Interessensvertretungen oder NGOs klagen können, um umstrittene Normen in einem Gerichtsverfahren zu Fall zu bringen, beziehungsweise die Politik in einer bestimmten Frage zu verändern und weiterzuentwickeln.
Die Intention dieser Klagen geht damit über den eigentlichen Streitgegenstand hinaus und funktioniert als rechtlich-politischer Partizipationskanal.“ https://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-Dokumente/newsletter_beitraege/1_2020/nbb_beitrag_ehs_200408.pdf
15. | Danielle Allen, a. a. O., S 186
16. | Danielle Allen, a. a. O., S 187
17. | Michael J. Sandel (2020): Vom Ende des Gemeinwohls. Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt, Frankfurt am Main, S 191
18. | Sven Giegold: „Wenn die Politik die Banken jetzt nicht ernsthaft reguliert, sondern wieder das Geld der Steuerzahler ohne Gemeinwohlkontrolle der Geschäftsmodelle riskiert, werden die Menschen gegenüber der Demokratie noch zynischer.“ Es wächst eine globale Bewegung, Sonnenseite, 2011-11-08, https://www.sonnenseite.com/de/politik/es-waechst-eine-globale-bewegung
Birger Priddat verwendete diesen Begriff deutlicher in dem hier verwendeten Konnex, wenn er in Bezug auf die verlorene Souveränität der Politik gegenüber Lobbyinteressen meint, dass „jedes Gesetz, nachdem es formuliert ist“, von Fachleuten einer „neutralen Instanz nochmal begutachtet werden [sollte], wieweit es dem Allgemeinwohl dient.“ makro – Wirtschaft in 3sat: Die Politik ist nicht mehr souverän
19. | Michael Landau: „Wir würden uns beispielsweise wünschen, dass künftige Gesetze und Verordnungen nicht nur einem Klima-Check, sondern auch einem Armuts-Check unterzogen werden, also jeweils überprüft wird, dass sie Kinder- und Altersarmut sinken und nicht steigen lassen.“ Tageszeitung Kurier, Landau wünscht sich einen „Armuts-Check“ für Gesetze, 2020-01-12, https://kurier.at/politik/inland/landau-wuenscht-sich-einen-armuts-check-fuer-gesetze/400723728
20. | Horst Kahrs, Thomas Falkner: Resilienz, Demokratie und der „Sprung nach vorn“. Luxemburg Online, September 2020, https://www.zeitschrift-luxemburg.de/resilienz-demokratie-und-der-sprung-nach-vorn
21. | Vgl. Karl R. Popper (1980): Um einer weiteren „Versklavung der ökonomisch Schwachen“ erfolgreich Einhalt zu gebieten, „müssen wir die ‚bloß formale Freiheit‘ einführen. Und sobald uns das gelungen ist, sobald wir gelernt haben, sie zur Kontrolle der politischen Gewalt zu verwenden, von diesem Augenblick an hängt alles von uns selbst ab. Wir dürfen nicht mehr andere Menschen tadeln, wir dürfen auch nicht die dunklen ökonomischen Dämonen hinter der Szene anklagen. Denn in einer Demokratie besitzen wir den Schlüssel zur Kontrolle der Dämonen. Wir können sie zähmen. Es ist wichtig, daß wir diese Einsicht gewinnen und die Schlüssel gebrauchen; wir müssen Institutionen konstruieren, die es uns erlauben, die ökonomische Gewalt auf demokratische Weise zu kontrollieren und die uns Schutz vor der ökonomischen Ausbeutung gewähren.“, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde 2, München, S 159
22. | Roland Roth: „Kommunale Beteiligung wird zur ‚Treppe ins Nichts‘, wenn sie nicht mit einer erfahrbaren (Re-)Kommunalisierung von Politik verbunden wird, d.h. lokal wirklich etwas entschieden und gestaltet werden kann.“, Demokratiereformen. Handlungsmöglichkeiten auf Länderebene. Skizze für die Heinrich-Boell-Stiftung, Berlin: Januar 2013, S 21
23. | Siri Hummel im Rahmen des öffentlichen Fachgesprächs des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement: „Ganz wichtig: Bürger*innenräte dürfen kein schmückendes Beiwerk sein, sondern sie müssen in irgendeiner Form Entscheidungsrelevanz haben.“ Bundestag, Berlin, 2020-10-06, https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw41-pa-buergerschaftliches-engagement-793926
24. | Hans-Jürgen Bieling für bpb.de: Demokratie, Macht und Einflussnahme: theoretische Perspektiven und Kontroversen, 2019-03-13, https://bpb.de/politik/wirtschaft/lobbyismus/276194/demokratie-macht-und-einflussnahme
Die Verbesserungen, die sich immer wieder zwischendurch ergeben, wie sie beispielsweise während der Amtszeit eines Joe Biden und seiner Administration zu erwarten sind, ändern das mittlerweile etablierte System einer von Michael J. Sandel so bezeichneten Erbaristokratie nicht auf Dauer. Dazu wären Strukturveränderungen erforderlich, die vorausgeplant und eingeleitet werden müssen von den jeweils tragenden Säulen einer Demokratie, um folgendes zu erzielen: „Wohlstand für alle!“ Schließlich funktioniert ja die „Sache mit der Eigenverantwortung“ nicht nur nicht in der Covid19-Krise, wie der langjährige Präsident des österr. Verfassungsgerichtshofes Ludwig Adamovich feststellte, sondern auch in anderen Belangen wie jenem, wonach sich die Mittelschicht nach Ulrike Herrmann selbst betrügt, indem sie sich nicht ausreichend gegen soziale Ausgrenzung zur Wehr setzt. Im Bemühen um einen Ausgleich müssen wir ja nicht wieder den Versuch unternehmen, die klassenlose Gesellschaft zu realisieren, wir könnten aber damit starten, die in Krisen zuerst Benachteiligten – wie beispielsweise Arbeiter – in die Mitte zu integrieren, nicht weil wir so sozial sind, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass starke Sozialstaaten die Abstiegsgefahr reduzieren und die Mitte vor Armut schützen (S 4).
Vedran Dzihic: „Es ist Zeit für einen neuen sozialen Gesellschaftsvertrag, …“ in: Die Unsichtbaren
LikeLike
Wir schreiben das Jahr 2022. Die Ukraine wurde kürzlich überfallen, Millionen Menschen werden vertrieben und Tausende getötet. Gerade in jenem Land, in dem fünf Jahre zuvor nachgewiesen wurde, dass und wie „selektive Responsivität“ wirkt, wird weiterhin versucht, von „unten nach oben“ umzuverteilen. Selbst in der Krise wird Solidarität kleingeschrieben.
LikeLike