Einladung zur Mitwirkung

Die im Beitragsbild erwähnte Einladung zur Mitwirkung wendet sich an all jene, die sich durch den Inhalt des Impulsreferates „EuTopia ruft“ angesprochen fühlen und sich vorstellen können, sich in einem interdisziplinären Arbeitskreis Demokratie zu engagieren.

2023-04-01_Einladung_UTOPIA-Krisenbewaeltigung_KULM-Verein_Pischelsdorf

Eine Kirche für das Volk!

Eine der beiden Kammern eines Parlamentes kann im übertragenen Sinne wie eine Kirche für das Volk verstanden werden. Das entsprechende Bild dafür lieferte uns Ildefonso Falcones in seinem Historienroman „Die Kathedrale des Meeres„:

„Gefällt sie dir?“, fragte Berenguer de Montagut unvermittelt.
Ob sie ihm gefiel? Diese Frage hatte er sich nie gestellt. Er sah, wie die Kirche wuchs, ihre Mauern, ihre Apsiden, ihre herrlichen schlanken Säulen, ihre Strebepfeiler, aber … Gefiel sie ihm?
„Es heißt, sie wird die schönste aller Kirchen werden, die je auf der Welt für die Jungfrau errichtet wurde“, sagte er schließlich.
Berenguer sah Arnau an und lächelte. Wie sollte er einem Jungen, einem Bastaix, erklären, wie diese Kirche aussehen sollte, wenn nicht einmal Bischöfe und Adlige imstande waren, die Größe seines Projekts zu erahnen?
„Wie heißt du?“
„Arnau.“
„Nun gut, Arnau, ich weiß nicht, ob es die schönste Kirche der Welt wird.“ Arnau vergaß seinen Fuß und sah den Baumeister an. „Aber ich versichere dir, dass sie einzigartig sein wird, und einzigartig bedeutet weder besser noch schlechter, sondern einfach nur das: einzigartig.“
Berenguer de Montagut ließ seinen Blick über den Bau schweifen, dann sprach er weiter: „Hast du schon einmal von Frankreich oder der Lombardei gehört, von Genua, Pisa, Florenz?“ Arnau nickte. Natürlich hatte er von den Feinden seines Landes gehört. „Nun, an all diesen Orten werden ebenfalls Kirchen erbaut. Es sind große Kathedralen, prächtig und über und über mit Schmuckelementen verziert. Die Herrschenden dieser Orte wollen, dass ihre Kirchen die größten und schönsten auf der ganzen Welt sind.“
„Wollen wir das denn nicht?“
„Ja und nein.“ Berenguer de Montagut sah ihn an und lächelte. „Wir wollen, dass dies die schönste Kirche der Menschheitsgeschichte wird. Doch das wollen wir mit anderen Mitteln erreichen als die anderen. Wir wollen, dass das Haus der Schutzpatronin des Meeres das Haus aller Katalanen ist, im selben Geist ersonnen und erbaut, der uns zu dem gemacht hat, das wir sind, indem wir auf unsere ureigenen Elemente zurückgreifen: das Meer und das Licht. Begreifst du?“
Arnau dachte einige Sekunden nach. Dann schüttelte er den Kopf.
„Wenigstens bist du ehrlich“, lachte der Baumeister. „Die Herrschenden handeln zu ihrem eigenen, persönlichen Ruhm. Anders hingegen wir. Ich habe gesehen, dass ihr eure Lasten manchmal zu zweit mit Hilfe einer Stange tragt statt auf dem Rücken.“
„Ja, wenn sie zu groß sind, um sie auf dem Rücken zu tragen.“
„Was würde geschehen, wenn wir die Länge der Stange verdoppelten?“
„Sie würde zerbrechen.“
„Nun, genauso ist es mit den Kirchen der Herrschenden … Nein, ich will damit nicht sagen, dass sie einstürzen“, erklärte er angesichts der erschreckten Miene des Jungen. „Aber weil sie so groß, so hoch und so lang sein sollen, muss man sie sehr schmal bauen. Hoch, lang und schmal, verstehst du?“ Diesmal nickte Arnau. „Unsere wird das genaue Gegenteil sein. Sie wird weder so lang werden noch so hoch, dafür aber sehr breit, damit alle Katalanen hineinpassen, vor ihrer Jungfrau vereint. Wenn sie eines Tages fertig ist, wirst du es sehen. Es wird Raum für alle Gläubigen da sein, ohne Unterschiede, und der einzige Schmuck wird das Licht sein, das Licht des Mittelmeeres. Mehr Schmuck brauchen wir nicht. Nur den Raum und das Licht, das dort hineinfallen wird.“ Berenguer de Montagut deutete auf das Gewölbe und beschrieb eine Handbewegung bis zum Boden. Arnau folgte seiner Hand mit dem Blick. „Diese Kirche wird für das Volk erbaut werden, nicht zum höheren Ruhme eines Fürsten.“
„Meister …“ Einer der Gesellen war zu ihnen getreten. Die Pflöcke und Schnüre waren wieder in Ordnung gebracht.
„Begreifst du nun?“
Eine Kirche für das Volk!

2022-06-24_Beitragsbild_Mehr-Demokratie-Wagen

Räte für Sorgearbeit: weil Kompetenz zählt, nicht Ideologie

Im Rahmen der interaktiven Online-Konferenz „Mehr für Care!“ im Februar 2021 fand sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Mehr für Care-Räte. Die dabei besprochenen Aspekte enthielten erste Hinweise für die nachfolgenden Überlegungen.

Während in Deutschland der Indikator „Gender Care Gap“ in den „Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung“ eingeführt wurde, hat in Österreich die Diskussion darüber erst begonnen.

Die ökonomischen und sozialen Folgen der seit jeher ungleichen Verteilung der Sorgearbeit wurden mit der Corona-Pandemie nochmals weiter verstärkt. Rasch wurde deutlich, wie wichtig politisch agierende Initiativen sind, um FAIRbesserungen zu erzielen. Bereits am 14. September 2020 wurde daher das „Bündnis Sorgearbeit“ der Öffentlichkeit präsentiert. Das Bündnis engagiert sich dafür,

  • Sorge-/Hausarbeit und Erwerbsarbeit fair undgerecht zwischen den Geschlechtern zu verteilen
  • gleiche Verwirklichungschancen für alle Geschlechter herzustellen
    strukturelle Benachteiligungen abzubauen
  • geschlechterstereotype Vorstellungen aufzubrechen
  • den Blick auf die gesellschaftliche Organisationvon Arbeit zu weiten und Erwerbs- und Sorgearbeit zusammenzudenken
  • die „Sorgelücke“ zu schließen.

2021-11-18_Furche_Unzureichende-Gendergerechtigkeitsdebatten-in-Pflegedienstzimmern

2021-05-25_Elisabeth-Wagner_Gender-Pay-Gap_strukturelle-Probleme_Wert-von-Frauen-auf-den-ArbeitsmaerktenInwieweit zivilgesellschaftliche Forderungen* und Empfehlungen politisch angenommen werden, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Einer davon ist ein umfassend integrierendes Thema. Obwohl seit langem bekannt, führt die Erkenntnis, wonach das Soziale die beste Medizin ist, bis heute nur unzureichend zu – auch von der WHO unterstützten – „Health-in-All-Policies„-Maßnahmen. Einen zweiten Faktor finden wir im Bereich Demokratie & Partizipation. Was beispielsweise in Weyarn auf regionaler Ebene funktioniert, muss auf der nationalen nicht erwünscht sein, obgleich sich bereits einiges auf diesem Gebiet bewegt: Citizens‘ Assemblies in Irland seit 2016, der permanente Bürgerdialog in Ostbelgien oder der erste Bürgerrat in Deutschland zu Beginn des Jahres 2021. Mag sein, dass dieser den Beginn einer resilienten Demokratie markiert; die fehlende Unterstützung durch den Bundestag in der Frage der Finanzierung lässt allerdings mangelnde Ambition in diese Richtung vermuten.

2021-10-10_Netzwerk-Buergerbeteiligung_Laenderebene_demokratiepolitische-Agenda-2021

Wieviel Macht brauchen die besseren Entscheidungen?

2021-06-09_sos-mitmensch_pass-egal-wahl-2019Letzten Endes geht es daher immer um die Beantwortung der Machtfrage: wieweit wird den Bürger*innen im weiteren Sinne, also auch jenen, die zuvor nicht wählen durften (siehe „Pass Egal Wahl“ [2019]), das Mitregieren zugestanden? Wird über andere hinwegentschieden oder entscheiden die Betroffenen mit? Inwieweit wird es für eine nachhaltige Reform unserer Demokratien reichen, wenn Bürgerräte „nur“ fallweise zu ausgewählten Themen Empfehlungen für die Regierenden ausarbeiten dürfen?

2021-06-10_standard_kunststachel-in-der-grazer-stadtpolitik_rathaus-der-herzen_moeglichkeitsort-fuer-zukunftsmodelleWenn eine niederschwellige Möglichkeit gefunden wird, den Themenkomplex Care/Sorgearbeit und alles was dazugehört in einem würdigenden und gleichzeitig „verspielten“ Design wie die „Pass Egal Wahl“ in Richtung parlamentarische Mitgestaltungsrechte zu transformieren, dann dürfen auch wir eines Tages erwarten, dass unsere Träume in Erfüllung gehen werden. Wie jene der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch, die nach Jahren ihres Bemühens die SPÖ-Vorschläge für einen „leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft“ begrüßt. Erst durch die Mitwirkung bei der Entstehung von Gesetzen und Verordnungen können regionale Sorgeräte ihren Beitrag zu einem „guten Leben für alle“ soweit zur Entfaltung bringen, dass die „neun Grundbedürfnisse“ dabei weitestgehend berücksichtigt werden.

Screenshot_20210513-105105~2 Inwieweit braucht es darüberhinaus eine zweite Kammer mit der erweiterten Aufgabe zur Gemeinwohlkontrolle? Solange skandinavische Alternativen kulturell nicht bis zu uns ausstrahlen (S 6) wird es mit Bürgerräten allein wohl nicht getan sein. Ohne entsprechende Gegenmacht wird sich „aufgrund von Widerständen“ (S 45) gegenüber Modellen der Mischarbeit auch auf den Arbeitsmärkten nicht viel bewegen.

An dieser Stelle sollten wir innehalten und uns bei der Planung von Räten fragen, was wir wollen: Reicht uns die Gründung eines Netzwerks, das „sich als ein überparteiliches, unabhängiges und überkonfessionelles Gegenüber von Politik und Verwaltung, aber auch von Wirtschaft und Medien versteht“ oder braucht es mehr formelle Einbeziehung in politische Entscheidungen? Welche Rolle würde einem Nationalen Sorgerat dabei zufallen? Genügt das Aufgabenniveau eines Österreichischen Seniorenrates oder darf es gemeinsam (siehe Gemeinwohlrat) auch mehr sein?

Vermutlich werden beratende Gremien wie Beiräte auf Dauer zu wenig gehört und ihre Attraktivität für zivilgesellschaftliches Engagement schwindet wieder, wie damals nach dem ersten landesweiten Salzburger BürgerInnen-Rat im Jahr 2014. Dieses Vertrauen von weiten Teilen der Bevölkerung in die besseren Entscheidungen muss ein außerparlamentarisches Gremium erst einmal erlangen, um vom Gesetzgeber wahrgenommen und respektiert zu werden. Schon bisher gab und gibt es zahlreiche Organisationen, die sich um soziale (und ökologische) Anliegen bemühen, die selektive Responsivität wirkt trotzdem! Solange es nicht auch eine repräsentative Institution zur Begutachtung von Gesetzen und Verordnungen auf deren Gemeinwohlgehalt gibt, bleiben die geäußerten Bedürfnisse (Beispiel: Arbeitszeitverkürzung zur gerechteren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit [aus dem Jahr 2009]) entweder weitestgehend ungehört oder 2021-07-04_Die-Alternative_Zeitbewusst!-Warum-die-Arbeitszeit-verkuerzt-werden-muss_Karin-Stangerbestehende Errungenschaften werden wieder abgebaut**.

Mitunter betrifft dies selbst jahrzehntelang gepflegte Praktiken, dass sie ohne formelle Mitentscheidungskompetenz aus der politischen Tagesordnung verschwinden: „Nicht nur einmal spielte die Regierung die Opposition aus und verzichtete bei Gesetzen auf eine Begutachtung oder die Einbindung der Sozialpartner.“ So geschehen in Österreich, ein gutes Jahrzehnt nachdem die „sonstige (nichtterritoriale) Selbstverwaltung“ – eine besondere Form der öffentlichen Verwaltung – in die Bundesverfassung aufgenommen wurde.

Um es zu verdeutlichen: auch wenn seit der Pandemie 2020 die Forderungen nach einer „Zeitgerecht!„eren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zugenommen haben, bleiben die Erfahrungen, wonach unzählige Betriebsräte im ganzen Land trotz jahrhundertelang geprüfter gewerkschaftlicher Organisationsmacht soziale Ausgrenzung durch die sogenannte Agenda-Politik nicht verhindern konnten. Dierk Hirschel vermerkt dazu in „Das Gift der Ungleichheit“ (S 136):

Ende Mai 2003 organisierten die Gewerkschaften unter dem Motto „Reformen ja, Sozialabbau, nein danke!“ bundesweite Massenproteste. Die IG Metall mobilisierte mit einer Unterschriftensammlung die Beschäftigten in den Betrieben. Jeden Montag demonstrierten in zahlreichen deutschen Städten tausende Menschen gegen die so genannten Arbeitsmarktreformen. Als jedoch der neoliberale Politikentwurf seinen Weg ins Gesetzesblatt gefunden hatte, ebbten die Proteste ab.

2021-07-13_jbi_bruttopensionen-von-frauen-und-maennern-im-vergleich

Health in All Policies

Aufgrund der Tatsache, dass das Soziale die beste Medizin ist (S 6), sollten wir uns nach jahrzehntelangen Bemühungen „eines intersektoralen Zugangs zur Förderung der Gesundheit“ endlich dazu aufmachen, neben dem bestehenden Obersten Sanitätsrat beim Gesundheitsministerium – ganz nach der österreichischen (nicht: deutschen [u. a. deshalb]) Art von Klimaräten – einen Solidaritätsrat*** einzurichten, der auch in weiteren Ministerien beratend tätig ist. Regionale Sorgeräte könnten darin mit Sitz und Stimme vertreten sein.

Ohne diese Vorgehensweise wird Identitätspolitik in einer sich immer stärker ausdifferenzierenden Gesellschaft nicht erfolgreich sein können. Günstige Bedingungen dafür sind ein „kritisches Bewusstsein“ und eine „radikale Solidarität“ (Dominik Gruber), die „die verschiedenen Kämpfe einen“ (Annika Lüttner) können. Darauf weisen Lea Susemichl und Jens Kastner in ihrem Werk Identitätspolitiken hin: „Wie jede Identitätspolitik muss auch sie anerkennen, dass die eigene Homogenität lediglich eine Hilfsfiktion ist und sie muss Differenz als konstituierendes und sogar konstruktives Merkmal bejahen.“ (S 136)

Das wichtigste Projekt der Vielen steht noch aus: Geschlossenheit zu zelebrieren und dauerhaft zu leben.

2021-11-22_Ehs-Vospernik_Kelsen-souveraen-Volk-Republik-Institutionen

Gemeinwohlrat als nationale Perspektive

2021-03-27_Stadtentwicklung-Berlin_Wer-macht-mit-im-Quartiersrat
Innovatives Beispiel für die Zusammensetzung von Räten

Die Arbeit zur Gründung von Räten für Sorgearbeit bietet eine gute Gelegenheit, sich weitergehende Gedanken darüber zu machen, wie zivilgesellschaftliche Anliegen eines Tages generell stärker in die Gesetzgebung einbezogen werden. Die Etablierung eines Gemeinwohlrates als zusätzliches Kontrollorgan betreffend braucht es möglicherweise nicht einmal die Gründung einer neuen Instanz, eine Reform des Bundesrates sollte genügen. Dessen Aufgaben und Ziele würden dann nicht mehr „nur“ dem föderalistischen Verfassungsprinzip dienen, sondern auch dem Gemeinwohl als Ausdruck des republikanischen Prinzips. Ganz im Sinne dieser wichtigen Wortmeldung auf Seite 9 der gemeinsamen Erklärung des bereits erwähnten Salzburger BürgerInnen-Rates:

Durch den BürgerInnen-Rat könnte sich die Politik von Partikularinteressen befreien. Er könnte dabei helfen, wieder das Gemeinwohl zu erkennen.

Verstehen wir mit Gabriele Winker die „Krise der Sorgearbeit als Folge der kapitalistischen Überakkumulationskrise„, so bieten die von ihr vorgeschlagenen „Care-Räte“ genau diese Möglichkeit: die Befreiung von Partikularinteressen durch mehr Demokratie! Gelingen kann dies vermutlich nur durch ein langfristig aktives Bündnis von Engagierten und Organisationen aus verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft. Letztlich wird es dazu aber auch parlamentarische Mehrheiten benötigen und verfassungsmäßig legitimierte Kontrolle durch eine breite Allianz der Vielen.

2021-07-28_EESC-Report_Towards-the-uber-isation-of-Care

Empfehlungen

Webseiten: Care Revolution – Schritte in eine solidarische Gesellschaft von Gabriele Winker

Ernährungsrat Wien: Organisationsstruktur

Buch: „Equal Care – Über Fürsorge und Gesellschaft“ von Almut Schnerring und Sascha Verlan

Politische Forderung von AK Präsident Erwin Zangerl zur Einführung von Gleichbezahlungsbeauftragten

2021-06-08_bpb_Equal-Care


Anmerkungen

*| Beginnend bei der Forderung nach mehr Ausbildungsplätzen für Hebammen

2021-05-21_Mehr-fuer-Care-Aktionstag_2021-05-29

2021-06-20_Uni-Bremen_carat_caring-all-together_Sonja-Bastin_Andrea-Schaefer**| Welche Alternativen bieten sich? Der politische Druck verblasst mit der Dauer einer Bewegung, die Gründung von Parteien garantiert keine nachhaltige Berücksichtigung von Gruppeninteressen und eine hierarchiefreie politische Kultur abseits von Repräsentation und Delegation ist auch nicht zielführend: „Für Arbeitnehmer und Bürger mit familiären Verpflichtungen und begrenztem Zeitbudget war die radikaldemokratische Inklusion der permanenten Versammlungsdemokratie in der Praxis real exkludierend.“ (Oliver Nachtwey, 2016, S 210) Und selbst dort, wo Bürgerräte von der Politik gewünscht werden, erfahren wir in einer Zwischenbilanz aus dem Jahr 2014 von diesem Hauptkritikpunkt, wonach „das Thema und vor allem seine Umsetzung nach dem Bürgerrat ‚einschlafe‘.“ (S 11)

***| Vgl. erste Überlegungen dazu von Franz Groll zB in seinen „Vorschläge[n] für Transformationsschritte von der neoliberalen Politik zur zukunftsfähigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“ (2017) oder in seinem Entwurf „Zur Bewahrung unserer Lebensgrundlagen“ aus dem Jahr 2019.

Nachdem mittlerweile sogar im skandinavischen Finnland der Staat als Gemeinwohlinstanz gegenüber privaten Gewinninteressen versagt beim patentfreien Herstellen von Corona-Vakzinen, ist es dringend geboten „neue Formen der Demokratie“ zu etablieren: „Finnland wird in den internationalen Medien oft als ein nordisches Traumland dargestellt. Während der Pandemie hat die neue Linksregierung das fortschrittliche Image des Landes weiter befördert. Man würde erwarten, dass eine solche Regierung der selbstverständlichste Befürworter einer öffentlich finanzierten und patentfreien Impfstofftechnologie ist. Doch die letzten Jahrzehnte des Neoliberalismus werfen einen langen Schatten.“

2021-03-11_Paul-Ginsborg_Wie-Demokratie-leben_Neue-Formen-der-Demokratie