Glasperlenspiel

2017-03-03_kulturpreis_empfehle-uns-deine-favoritinUm postdemokratischen Tendenzen in unseren Gesellschaften proaktiv zu begegnen, benötigen wir nach Colin Crouch u. a. „Maßnahmen, die darauf zielen, die wachsende Dominanz der ökonomischen Eliten zu begrenzen.“

Im Vorfeld derselben – zB eines Rates zur Förderung von Gemeinwohl – könnte ein Veranstaltungsformat das Ziel haben, Mitglieder dafür zu werben und zu wählen. Eine Aufgabe dieser Institution sollte dabei die Förderung von Chancengerechtigkeit sein. Für Margit Fischer bedeutet sie, „den einzelnen Menschen in Wettbewerbssituationen – sei es der Zugang zur Bildung oder der Zugang zu gesunden Lebensbedingungen etc. – gleichartige Ausgangspositionen einzuräumen.“ Soziale Ungleichheit würde sich damit allerdings noch nicht aus der Welt schaffen.

Die von John Kenneth Galbraith erstmals in diesem Zusammenhang erwähnte und von Sir Anthony B. Atkinson in Ungleichheit mehrfach genannte „Gegenmacht“ ist insofern zu organisieren und attraktiv zu gestalten, wenn wir ausgehend von der Mitte unserer Gesellschaften auch deren Ränder wieder stärken wollen. Hermann Hesse gibt uns in seinem Werk Glasperlenspiel diese Hinweise, die es dabei zu berücksichtigen gilt:

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Neben der erforderlichen Attraktivität dieser Veranstaltungen lässt die von Hesse beschriebene Zukunftswelt noch weitere Vergleiche zu. Einer davon ist das Spiel an sich: spielerisch lernen wir uns zu entwickeln. Ein weiterer ist die mögliche Konsequenz für uns im Einzelnen, als auch für unsere Zivilisationen, wenn wir die Zeichen der Zeit missachten: verzückt durch die „schöne Sonne“ (S 469) wollen wir nicht wissen, wie der Wettkampf mit ihr durch eiskalte Gletscherwasser endet.

Dabei könnten wir unser Glück auch auf friedlichen Wegen erreichen, ohne eigene oder fremde Opfer zu riskieren. Sir Karl R. Popper entwarf hierzu folgendes Bild:

Um einer weiteren „Versklavung der ökonomisch Schwachen“* erfolgreich Einhalt zu gebieten, „müssen wir die ‚bloß formale Freiheit‘ einführen. Und sobald uns das gelungen ist, sobald wir gelernt haben, sie zur Kontrolle der politischen Gewalt zu verwenden, von diesem Augenblick an hängt alles von uns selbst ab. Wir dürfen nicht mehr andere Menschen tadeln, wir dürfen auch nicht die dunklen ökonomischen Dämonen hinter der Szene anklagen. Denn in einer Demokratie besitzen wir den Schlüssel zur Kontrolle der Dämonen. Wir können sie zähmen. Es ist wichtig, daß wir diese Einsicht gewinnen und die Schlüssel gebrauchen; wir müssen Institutionen konstruieren, die es uns erlauben, die ökonomische Gewalt auf demokratische Weise zu kontrollieren und die uns Schutz vor der ökonomischen Ausbeutung gewähren.“*

2017-03-03_postkarten_oekonomie-des-vertrauens_spielende-kinder-auf-der-stiegeGewiss bezieht sich Karl Popper hier insbesondere auf „die Kontrolle der physischen Gewalt und der physischen Ausbeutung“* als „zentrale(s) politische(s) Problem“*. Und dennoch liegt er – trotz der Kenntnis um die verschiedensten Formen von Gewalt – damit sehr nahe am Kern, an dem der erste Hebel anzusetzen ist, wenn wirtschaftliche Rahmenbedingungen Gesundheit gefährden und Leben verkürzen. Peter Schallenberg beschreibt das so:

„Papst Gelasius I. (492-496) entfaltet schließlich die augustinische Zwei-Reiche-Lehre zur Zwei-Gewalten-Lehre, und dies ist dann in der Tat neu gegenüber dem politischen Denken der heidnischen Antike, aber konsequent in der Weiterentwicklung der politischen Eschatologie des Alten Testaments. Zugleich damit entfaltet sich die Differenzierung von sakramentalem forum internum und politischem forum externum, die zwar voneinander unterschieden bleiben – und daher auch Staat und Kirche, Politik und Religion unterschieden sind – und dennoch aufeinander bezogen sind, und zwar in der augustinischen Rangfolge des Innen vor dem Außen: erst eine innere Bekehrung verwandelt die äußeren Umstände, aber zugleich stützen und ermöglichen äußere gerechte Zustände eine innere Bekehrung des Menschen zum Guten, der ohne äußere Gerechtigkeit der inneren Lieblosigkeit zum Opfer fiele.“**

Aktiv an der FAIRänderung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit zu gestalten heißt, das Wohl der sonst Leidenden zu verbessern, „da soziale Sicherheit zu wirtschaftlicher Effizienz, Stabilität und Kontinuität in der Gesellschaft beitragen“***. Sich mit voller Kraft dafür einsetzen gefährdet den sozialen Frieden weniger, als dies zu unterlassen, denn mit Popper können wir sagen: in der Demokratie besitzen WIR durch die Herrschaft des Staatsvolkes die Schlüssel zur Kontrolle der Dämonen und aus unseren Erkenntnissen heraus MÜSSEN wir Institutionen konstruieren, die die ökonomische Gewalt auf demokratische Weise kontrollieren und so Schutz gewähren vor ökonomischer Ausbeutung!

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*| Karl R. Popper, in: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde 2, München: Francke, 1980, 6. Aufl., S 159 – weitere Textausschnitte

**| Peter Schallenberg, in seinem Vorwort: „Die franziskanische Spiritualität und eine christliche Moralökonomie“ zur deutschen Ausgabe: Zivilökonomie, Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2013, S 23  – weitere Textausschnitte

***| Harald Bretschneider, in seinem Referat „Diakonie und Wettbewerb“ während der 3. Tagung der 9. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Münster, 1. bis 6. Nov. 1998

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communio

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Aus Sicht der Katholischen Soziallehre ist Armut zumeist Ergebnis von strukturellen Barrieren, die Menschen in ihren Möglichkeiten begrenzen und sie somit in ihrer persönlichen Entwicklung und Freiheit, in Würde zu leben, einschränken. Sie zeigt sich in vielfältiger Weise und lässt sich nicht allein auf einen Mangel an finanziellen Mitteln reduzieren, sondern bezieht sich auf alle Aspekte des Lebens, die persönliche Entwicklung hemmen. Dies schließt einen unzureichenden Zugang zu Bildung, Sozialdienstleistungen und Energie, aber auch die Folgen der Umweltzerstörung mit ein.

aus: COMECE-Erklärung vom 12.12.2016 „Verschafft Recht den Unterdrückten“ (Psalm 82,3)

… es geht um einen Ausgleich (2Kor 8,13)

Um den verschiedenen Formen struktureller Ausgrenzung wirksam begegnen zu können, bedarf es in einem demokratischen Staatswesen einer reflektierendenlebendigen Kraft aus der Mitte der Gesellschaft. In ihr spiegelt sich „eine Vielfalt und eine Verschiedenheit, die der Einheit nicht nur nicht im Wege stehen, sondern ihr im Gegenteil den Charakter der ‚Communio‘ verleihen“ (Communionis notio 15).

Wie die europäischen Bischöfe in ihrer COMECE-Erklärung vom 12.12.2016 die EU auffordern, „ihren Dialog mit allen relevanten Akteuren zu verstärken„, ebenso sehr sind wir im Rahmen der

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Diakonie auf nationaler Ebene aufgefordert, den Interessensausgleich zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen zu suchen und strukturell zu manifestieren. Ohne diese Bemühungen blieben viele weiterhin arm! Dazu ist auch jene Wortspende von Diözesanbischof Manfred Scheuer anlässlich des Tages der Arbeitslosen 2017 zu zählen: „Durch die Erwerbsarbeit und die Höhe des daraus resultierenden Einkommens werden Menschen bewertet. In einer solchen Gesellschaft werden arbeitslose Menschen und Menschen ohne Erwerbschance buchstäblich ‚wertlos‘ gemacht.“

2019-11-17_Oeko-Sozial-Rat_legitimiert-zur-Gemeinwohlkontrolle

Aus der Mitte der Gesellschaft empfohlene und gewürdigte Organisationen aus der Zivilgesellschaft oder Menschen aus Politik, Wirtschaft, Kunst & Kultur oder ökosozialen Diensten können die mit dem Interessenausgleich verbundenen Aufgaben zB im Rahmen eines nationalen ÖkoSozialRates – zB in der Version eines Bundes- & Gemeinwohlrates – leisten und so die erforderlichen Brückenfunktionen erfüllen. Diese bestehen zuerst darin, die Themen der Ausgegrenzten & Randgruppen in den Vordergrund zu rücken, ganz nach dem Motto des schwächsten Gliedes, an dem die Kette – in unserem Fall die Gemeinschaft – zu brechen droht. Denkbar ist auch ein Meinungsaustausch mit parteipolitischen Interessenvertreter*innen im Sinne von Town-Hall-Meetings. Dies erfordert jedenfalls unser Engagement für die Wahl unserer Vertreter*innen in einen ÖkoSozialRat als GemeinWohlRegierung, denn die Verantwortung für die Gestaltung eines friedlichen Miteinander beginnt bei uns.

2017-06-08_wiener-zeitung_bahnticket-geht-unter-die-haut

Friedrich L. Sell und Marcus Wiens in Gesellschaftspolitik: Überwindung des Vertrauensdilemmas kann erfolgen durch

  • gegenseitige Sympathie
  • Information/hoher Wissensstand übereinander
  • wiederholte Interaktionen und
  • Moral

Aus einer christlich-moralökonomischen Sicht liest sich das so: „… erst eine innere Bekehrung verwandelt die äußeren Umstände, aber zugleich stützen und ermöglichen äußere gerechte Zustände eine innere Bekehrung des Menschen zum Guten, der ohne äußere Gerechtigkeit der inneren Lieblosigkeit zum Opfer fiele.“ (Peter Schallenberg, in: Zivilökonomie, 2013, S 23)

2017-02-22_ehemaliger-header-auf-twitter_regionale-wirtschaftsstrukturen-fuer-generationen_mit-schallenberg-zitat

Diese und die Seite „FAIRteilung“ zum Download als pdf


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Qualifizierte Erwerbslose

2017-02-23_ooe-nachrichten_arbeitsmarkt-oesterreich-arbeitslose-offene-stellen_bis-2013
Grafik 1: Arbeitsmarkt in Österreich

Wenn knapp 500.000 Erwerbsarbeit Suchende mit rund 40.000 offenen Stellen (Datenlage von Anfang 2017) konfrontiert sind, wie sehr steigen dann ihre Chancen, durch Qualifizierung einen Vollerwerbsarbeitsplatz angeboten zu erhalten? Die Beantwortung dieser Frage erfordert lediglich die Kenntnis der Grundrechnungsarten.

Dennoch wird immer wieder versucht, die Schuld bei den Betroffenen zu finden:2017-02-23_der-standard_was-der-kern-vorschlag-am-arbeitsmarkt-bringt_s-17

Doch so einfach ist die Sache nicht und die Geschichte lehrt uns, dass es auch anders geht:

Vollbeschäftigung führte in Österreich am Beginn der 1970er-Jahre zu einer Umkehrung der Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt (siehe Grafik 1): die Anzahl der offenen Stellen überstieg jene der vorgemerkten Arbeitslosen. Die aus der „Knappheit an Arbeitskräften (resultierenden) Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zugunsten der ArbeitnehmerInnen“* bewirkten, dass 1975 die 40-Stunden-Woche eingeführt wurde.

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Stephan Schulmeister: Solange die Zahl der Arbeitssuchenden ein Vielfaches der Zahl der offenen Stellen beträgt, reichen Qualifikationsmaßnahmen nicht.

Die Liberalisierung verschiedener Märkte und die Öffnung der Grenzen kehrte diese Kräfteverhältnisse um und stärkte international agierende Investoren zulasten regional tätiger Unternehmen und deren Beschäftigten. Die Folgen davon waren steigende Gewinnquoten und sinkende Lohnquoten:

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Mit der Liberalisierung der (Finanz-)Märkte kam die „Ungleichheitswende“. Die in den 1970ern in Gesetze geschriebene Solidarität hielt in Österreich noch bis Mitte der 1980er.

Mit anderen Worten: die Früchte** der Wertschöpfung in den jeweiligen Ländern ernteten zunehmend Unternehmen, während der Anteil für die Beschäftigten schrumpfte.

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Robert Sommer (Augustin): Wer marginalisiert ist, arbeitet für jeden Lohn.

In seinem letzten großen Werk „Ungleichheit“ lässt Sir Anthony B. Atkinson die dahinter stehende Lobbyarbeit zugunsten der Wenigen, die davon profitieren, durch den Vorsitzenden der Börsenaufsichtsbehörde SEC (Securities and Exchange Commission) erläutern. Dieser „beschrieb, wie ‚Gruppen, die Wall-Street-Firmen, Investmentgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsunternehmen oder Konzernmanager vertraten, sofort ihren Einfluss geltend machten, um selbst geringfügige Gefahren abzuwehren. Einzelne Investoren, die keine Gewerkschaften oder Wirtschaftsverbände hinter sich hatten, um ihren Forderungen in Washington Nachdruck zu verleihen, wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.’“***

Atkinson folgerte daraus:

„Deutlicher lässt sich die Notwendigkeit einer Gegenmacht nicht zum Ausdruck bringen.“ (S 143)

„Wenn Menschen auf Null-Stunden-Verträge ohne Lohngarantie eingehen, so deshalb, weil sie auf dem Arbeitsmarkt machtlos sind. Wie erwähnt, müssen wir Vorkehrungen treffen, um ein gerechtes Machtgleichgewicht zwischen den Parteien solcher Verhandlungen herzustellen – mit anderen Worten, wir müssen die Gegenmacht der Verbraucher und Arbeitnehmer stärken.“ (S 191)

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Wir sollten uns Atkinson und vielen anderen anschließen, die sich für mehr Gerechtigkeit in der Wirtschaft einsetzen, denn … „es geht um einen Ausgleich“ (2Kor, 8,13).


*| Markus Marterbauer: Soziale Dienstleistungen, Arbeitszeitverkürzung, Vermögensbesteuerung – Elemente einer emanzipatorischen Sozial- und Wirtschaftspolitik in Europa; in: Kurswechsel 2/2014, S 49

**| Papst Franziskus in seiner Ansprache beim Welttreffen der Volksbewegungen am 9. Juli 2015: „Die gerechte Verteilung der Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit ist keine bloße Philanthropie. Es ist eine moralische Pflicht.“ … und am 6. Mai 2016 setzt er anlässlich der Verleihung des Karlspreises fort: „Wenn wir unsere Gesellschaft anders konzipieren wollen, müssen wir würdige und lukrative Arbeitsplätze schaffen, besonders für unsere jungen Menschen.

Das erfordert die Suche nach neuen Wirtschaftsmodellen, die in höherem Maße inklusiv und gerecht sind. Sie sollen nicht darauf ausgerichtet sein, nur einigen wenigen zu dienen, sondern vielmehr dem Wohl jedes Menschen und der Gesellschaft.“

***| Anthony B. Atkinson, in: Ungleichheit, Stuttgart: Klett-Cotta, 2016, S 143; Zitat: Hacker und Pierson, „Winner-Take-All Politics“, S 192


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Unfrei durch Überstunden

Vollbeschäftigungs-Initiative 23

Investitionen sollen sich lohnen

Gegenmacht

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„In seinem Buch ‚Der amerikanische Kapitalismus im Gleichgewicht der Wirtschaftskräfte‘ (‚American Capitalism‘) schrieb er Anfang der fünfziger Jahre auf, wie wenig die Wirklichkeit mächtiger Konzerne seines Erachtens mit der Theorie vollkommener Märkte zu tun hatte. Das System funktioniere nur, weil die Industriegiganten auf eine Gegenmacht in Form von Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen treffen. Wo dieser Gegenpol nicht zustande komme, müsse der Staat einspringen und selbst das Gleichgewicht der Kräfte wiederherstellen.“

Uwe Jean Heuser im Vorwort zu: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs von John Kenneth Galbraith, S 15

Als humane (Staats-)Wesen sind wir eingebettet in kulturell inspirierte und zum Teil in Gesetzen ausgedrückte soziale Landschaften. Diese werden bestimmt durch gesellschaftliche Kräfte, auf die wir gestaltend Einfluss nehmen können und – mitunter – auch sollten! Wissend um die „Ungleichheitswende“ (Sir Anthony B. Atkinson) in den 1980er-Jahren liegt es an uns, sich regional bis weltweit dafür e2017-02-03_sozialfeld-nach-bourdieu_vereinfacht_blog-arbeit-wirtschaftinzusetzen, die seither blühende und krank machende Ungleichheit auf das bereits erprobte Niveau (davor) zu heben.

Eine „gerechte Steuerpolitik“ und eine „Bildungspolitik für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt“ sind nur zwei der möglichen Schritte auf unserem Weg, Armut und prekäre Lebensverhältnisse erfolgreich zu bekämpfen. Damit können auch drohende oder bereits vorhandene „gesellschaftliche Bruchlinien“ reduziert werden – u. a. aus diesem einfachen Grund: weil vielen bisher Benachteiligten mehr Perspektiven bei ihren Entscheidungsfindungen eröffnet werden. So bietet eine reguläre Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt für rund die Hälfte der zuvor Erwerbslosen einen Schritt aus der Armut.

2017-03-18_zeitzeichen_S-11_ILO_Arbeitsmarkt-aktiv-gestalten_gesetzl-hoheit-bei-nationalstaaten
Die FAIRteilungsmacht liegt in den Händen der Nationalstaaten


Doch die MACHTverhältnisse auf den Arbeitsmärkten sprechen gegen Erwerbslose und prekär Beschäftigte. Atkinson formuliert dies so:

„In erheblichem Maße erwächst das Marktergebnis gegenwärtig aus der Verhandlungsmacht der verschiedenen Teilnehmer. Wenn Menschen auf Null-Stunden-Verträge ohne Lohngarantie eingehen, so deshalb, weil sie auf dem Arbeitsmarkt machtlos sind. Wie erwähnt, müssen wir Vorkehrungen treffen, um ein gerechtes Machtgleichgewicht zwischen den Parteien solcher Verhandlungen herzustellen – mit anderen Worten, wir müssen die Gegenmacht der Verbraucher und Arbeitnehmer stärken.“ (Ungleichheit, S 191)

Am sinnvollsten wird es sein, wenn die Betroffenen sich organisieren und selbst stärken. ZivilFAIRsammlungen und ihre Ergebnisse überregionaler und interdisziplinärer Kooperationen könnten diesbezüglich wesentliche Beiträge leisten. Bezogen auf die „besondere Situation Großbritanniens“ hat Anthony B. Atkinson die „Einrichtung eines Sozial- und Wirtschaftsrates“ vorgeschlagen:

2020-12-07_Zitate-Atkinson_Ungleichheit_es-braucht-eine-Koerperschaft

„Der Glaube, letztlich hätten die Eigentümer das Sagen, hat sich indes bis heute gehalten. Auf den Hauptversammlungen erhalten die Aktionäre Informationen zur Geschäftsentwicklung, Ertragslage, künftigen Unternehmensstrategie und zu vielen weiteren Sachthemen. Vieles davon ist bereits bekannt. Ein solches Aktionärstreffen gleicht einem baptistischen Gottesdienst. Die Herrschaft der Manager wird in keiner Weise geschmälert; dazu gehört auch, dass sie ihre Vergütung in Form von Barbezügen oder Aktienbezugsrechten weitgehend nach eigenem Belieben festsetzen.“

John Kenneth Galbraith, in: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs, München: Pantheon, März 2007, 1. Aufl., S 78

2017-01-26_konsent-kulturpreis_konzernlobbyismus-rat-fuer-buergerbeteiligung


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Uwe Jean Heuser: Unschuldiger Betrug

Forderungen der International Labour Organization (ILO) in ihrem World Employment and Social Outlook (WESO) 2016 – Transforming jobs to end poverty

In Brüssel regieren nicht mehr die klassischen LobbysAnmerkung: Die Nachhaltigkeit dieses Trends steht jedoch weiterhin auf dem Prüfstand und erfordert daher auch in Zukunft Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Zivilgesellschaft

Das Wendejahr 2017 begann vielversprechend: Wer Menschenrechte verletzt soll büßen

2017-12-23_SN_gute-nachrichten_schweden-probiert-den-sechsstundentag